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Im Gespräch mit… Mentalcoach Petra Müssig

Willst du allein mit der Kraft deiner Gedanken die Nummer 1 werden, Unmengen an Kohle verdienen und das Unmögliche möglich machen? Nein, das ist keine ausbeuterische Werbekampagne. Und nein, wir sind auch keiner unseriösen Masche auf den Leim gegangen. Viel mehr sind das die Worte, die einem entgegenstrahlen, wenn man im Internet nach Unterstützung sucht und auf der Homepage von Petra Müssig landet.

Direkt unter diesem Satz kommt auch gleich die Ernüchterung: „Schade, da können wir – trotz unseren 35 Jahren Erfahrung mit „Mental“ – nicht helfen.“ Wobei Petra dagegen sehr wohl helfen kann, wie sie das macht und warum in der, zugegeben etwas plumpen Lockfrage doch eine ganze Menge Wahrheit steckt, erklärt sie uns im Interview.

Hallo Petra! Du erwähnst auf deiner Internetseite gleich zu Beginn, wobei du nicht helfen kannst. Was hat es damit auf sich?

Einerseits geht es dabei natürlich darum, was man erwartet – hauptsächlich von sich selbst. Andererseits aber ist tatsächlich vieles machbar, von dem die Person anfangs noch dachte, es sei unmöglich. Übrigens hört sich das viel abgespaceter an, als es eigentlich ist. 


Fangen wir von vorne an: Wer genau kommt aus welchem Grund zu dir?
Das sind größtenteils Sportler – ganz egal ob Freizeit-Kletterer oder Extrembergsteiger, Mountainbiker, Skifahrer, aber auch Trainer, Betreuer und Verbände. Sie alle haben dabei eines gemeinsam: Sie wollen, aus welchen Gründen auch immer, ihre mentalen Stärken ausbauen. Für einen Profisportler ist der Erfolg immer auch Kopfsache. Mit Freizeitsportlern versuche ich dagegen häufig Ängste unter Kontrolle zu bekommen.

Was genau qualifiziert dich denn für so ein umfangreiches, komplexes Thema?
Nun, ich bin keine Psychologin und in meinem Buch „Berggenuss statt Höhenangst“ gibt es auch kaum Fachchinesisch zu lesen. Dafür bin ich zertifizierte Lehrerin für MBSR (achtsamkeits-basierte Stressreduktion), Gesundheitspädagogin (SKA) und seit 1994 Dozentin in der Erwachsenenbildung, bei Fortbildungen für Lehrkräfte, Übungsleiter- und Trainerausbildungen. Das menschliche Gehirn ist unfassbar komplex, aber manchmal ist es auch überraschend einfach. Wer im Bergsport Ängste hat, kann mit einer sehr großen Erfolgschance daran arbeiten.


Noch dazu warst du ja vor der Zeit als Mental Coach selbst Profi-Sportlerin!
Richtig, ja. Von 1987 bis 1993 war ich 3-fache Weltmeisterin und 13-fache Gesamtweltcup-Siegerin im Snowboarden. Dadurch kann ich gut nachvollziehen, wenn Sportler Erfolgsdruck verspüren, auch wenn das bei mir niemals der Fall war. Druck erwächst aus der Sorge, den eigenen Vorstellungen und den (oft vermeintlichen) Vorstellungen von Trainern, Verband etc. nicht gerecht zu werden. Da hilft: bei sich selbst und bei den, was jetzt zu tun ist zu bleiben. Und „zu spielen“ anstatt zu kämpfen.

Für Freizeitsportler ist das nicht viel anders. Der Leistungsdruck des Profisportlers, kann auch die Angst vor dem Versagen auf einer Wochenend-Bergtour sein. Viele Menschen gehen in die Berge, setzen sich zu große Ziele und haben Angst vorm Scheitern. Wenn diese Menschen dann ehrlich zu sich selbst sind, spielt da öfters auch Scham eine Rolle. Ähnlich geht es denjenigen, die quasi aus Nächstenliebe auf eine für sie selbst zu anspruchsvolle Tour mitkommen.


Was genau geht denn in diesem Fallin einem Menschen vor sich?
Oft ist die Angst schon lange vor der Tour da – es ist quasi die Angst vor der Angst. Wenn zum Beispiel dein Ehepartner die Tour plant, sich tage-, oder sogar wochenlang darauf freut, baust du vielleicht derweil schon die ersten Ängste auf. Die lassen sich oft zur Seite schieben, manchmal sogar bis zur Schlüsselstelle der Tour selbst. Dann aber platzt die Bombe, die Angst fährt dir ungehindert in die Knochen und lähmt dich. 

Bei Menschen, denen in ausgesetztem Gelände schwindelig wird, oder die urplötzlich Ängste entwickeln, die vorher kein Thema waren, kann man unterscheiden. Die meisten leiden unter Sturzangst, also der tief in uns verankerte Angst zu stürzen. Bei manchen kommt der Höhenschwindel dazu. Dieser kann entstehen, wenn um einen herum nichts als Leere und Tiefe ist. Dadurch verändert sich unsere Orientierungsfähigkeit im Raum und das lässt manche Menschen schwindelig werden. Problematisch sind auch die Situation, wenn wir uns aufgrund mangelnder Kondition oder Erfahrung auf der Tour überfordern: Müdigkeit und Erschöpfung pushen die Angst.

Also ist es einfach nur Einstellungssache?
Zu einem gewissen Teil, ja! Als ich noch Profi-Sportlerin war, da hatte ich das Glück und wurde von einem Mental Coach begleitet. Das war zur damaligen Zeit absolutes Neuland – genauso wie das Snowboarden selbst, noch dazu als Frau!

Dieses Mentaltraining hat mir aber dabei geholfen, ganz anders an die Sache ranzugehen. Ich habe gelernt, dass es beim Sport nicht immer nur um mich, ums Gewinnen, um Erfolg haben geht. Mein Trainer sagte mir, dass es zwischen dem ersten und zweiten Platz doch kaum einen Unterschied gibt. Und da hat er Recht. Es ging also schon immer auch um moralische und ethische Werte – um Menschlichkeit!

Auch beispielsweise ein Hobby-Kletterer kann von einer förderlichen Einstellung profitieren. Statt „etwas schaffen zu müssen“ lieber „zum Spielen gehen“. Statt sich durch zu viel Wollen und zu schwere Routen zu überfordern lieber in angemessenen Routen Technik und Selbstvertrauen aufbauen. Am Besten geht das durch viele gelingende Erfahrungen, die machen Spaß und sorgen so für’s Besser werden.


Was ist mit Menschen, die schlimme Erfahrungen gemacht haben, vielleicht sogar traumatisiert sind?
Da ist der Grund der Angst ein anderer, die Herangehensweise aber ähnlich. Wichtig ist in jedem Fall aber, nicht mit der Holhammer-Methode anzugreifen. Dazu muss man verstehen, was in unserem Kopf abläuft, wenn wir Angst bekommen. Vereinfacht gesagt aber, können wir unser Gehirn mithilfe vieler kleiner, positiver Erfolgserlebnisse trainieren.


Und in deinen Kursen lernt man, die Angst abzuschütteln?
Nein, vielmehr das Gegenteil ist der Fall! Die Angst zu verdrängen führt ja zu nichts. Wir lernen stattdessen mit ihr umzugehen. Sie soll nicht uns kontrollieren, sondern wir sie! Um das zu erreichen, taste ich mich mit den Kursteilnehmern langsam an die Sache, zum Beispiel einen steilen Abhang, heran. Dabei helfen kleine Tricks, die übrigens jederzeit ganz einfach angewandt werden können. 


Kannst du da ein paar Beispiele nennen?
Wer Höhenagst hat, neigt dazu, nach unten zu schauen. Das ist verständlich, denn wir haben im Laufe der Evolution gelernt, eine drohende Gefahr im Auge zu behalten. Allerdings hilft uns der Blick nach unten ja auch nicht weiter, das Gegenteil ist der Fall, weswegen man sich viel lieber an den Schritten der Vorausgehenden orientieren sollte. Auch ein Fixpunkt in unmittelbarer Nähe kann helfen. Ein weiterer Trick ist es, zu lernen, die eigenen Gedanken zu steuern. Unterm Strich erreichen meine Kursteilnehmer ein wachsendes Selbstvertrauen, durch gelingende Erfahrung! 


Die Gedanken steuern? Das klingt ja fast zu schön, um wahr zu sein!
Das ist eine Übungssache. Im Kurs üben wir, hinderliche Gedanken wahrzunehmen und durch konstruktive Anweisungen zu dem, was genau jetzt zu tun ist, zu ersetzen. So können wir Ängste regulieren und ein ganz neues Genusserlebnis aufbauen, manchmal sogar die erlernten Fähigkeiten in den Alltag integrieren. Wenn wir Herausforderungen so wählen, dass wir ohne Stress oder Angst mit all unseren Sinnen ganz bei der Sache sein können, kommen wir in den Flow, dem wohl schönsten Gefühl im Bergsport. 

Das ist übrigens auch etwas, das man lernen kann. Unser Alltag ist schon voller Zeit- und Leistungsdruck. Warum also nicht einmal genau das Gegenteil zulassen? Genau wie eine andere Art der Angstverarbeitung, ist das etwas, was wir wunderbar etwa in unser Berufsleben eingliedern können. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Sportkletterer, der im Vorstieg den nächsten Griff nicht erreicht, wobei er im Nachstieg die Passage problemlos klettern könnte. Grund hierfür ist eine unterschwellige Angst, die Ausschlag auf die Körperposition und Bewegung hat. Man macht sich kleiner als man ist, so ähnlich wie sich ein Wanderer mit Höhenangst auf einem abschüssigen Grat duckt, oder sogar auf die Knie geht. 

Wenn wir daran denken souverän, ruhig, aufrecht und entschlossen an den Schlüssel-Kletterzug heranzugehen, dann stehen die Chancen einfach besser, ihn auch erfolgreich zu meistern. Und damit wird vielleicht doch ein Stück weit etwas möglich, was uns davor noch unmöglich erschien. Allein durch die Kraft der Gedanken!


Vielen Dank und weiterhin alles Gute!


Höhenmut statt Höhenangst – Mit Selbstvertrauen in die Berge! Informationen zum Thema und den unterschiedlichen Kursen von Petra Müssig unter www.sport-im-kopf.de und petra@petramuessig.de

Interview: Benni Sauer

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