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Nuggets aus weißen Kristallen

Früher wurde im Raurisertal Gold geschürft – heute sind Pulverschnee-Hänge der wahre Schatz der größten Nationalparkgemeinde in den Hohen Tauern.

„Wer mit Fellen unter den Skiern auf Gipfel steigt, hat Zeit zum Nachdenken.

Zum Beispiel darüber, warum man mit Fellen unter den Skiern auf Gipfel steigt.“

„Irgendwas geht immer“, lautet die Devise von Wolfgang Rohrmoser. Der in Rauris geborene Bergführer kennt seine Heimat wie kein Zweiter. Und deshalb hat er auch für diesen viel zu warmen Hochwintertag, an dem tiefe Wolken die Gipfel verhüllen, eine Idee für eine Skitour. „Rührkübl“, sagt er. „Wir nehmen den Rührkübl in Angriff: ein Berg für fast alle Fälle, auch bei nicht ganz koscherer Lawinenlage.“ Wir blicken skeptisch. Der Name klingt, nun ja, irgendwie unsexy. Ein bisschen nach Kevin oder Maik. „Wisst Ihr überhaupt, was ein Rührkübl ist?“, fragt Wolfgang und nimmt die Antwort gleich vorweg: „Damit haben wir früher Butter gemacht. Ein vierteiliger Holzflügel wurde in einem Bottich im Kreis gedreht.“



Wieder etwas gelernt. Und schon geht’s los für unsere kleine Gruppe, die bunt wie ein Regenbogen leuchtet. Neben Wolfgangs Frau Andrea ist Alex mit von der Partie. Dessen breite Latten und Dreadlocks machen unmissverständlich klar, dass er mehr auf Big Turns und Sprünge denn auf genussvolles Aufsteigen steht. Tatsächlich fuhr er schon die Qualifiers der Freeride World Tour mit. Ach ja: Hunde haben wir auch dabei. Die Tina der Familie Rohrmoser hat in ihren zehn Jahren auf dieser Welt viel erlebt, ist sogar schon 500 Höhenmeter abgestürzt, ohne sich alle Knochen zu brechen. Klar, dass sie und Lola, die vierbeinige Gefährtin von Tobias aus dem Dunstkreis der Großstadt München, nicht auf Anhieb beste Freundinnen werden. Die beiden Damen ignorieren sich, sind sich aber offenbar darin einig, dass es durchaus okay ist, die Aufstiegsspur zu zertreten.

Für kurze Zeit sieht es so aus, als ob es doch aufreißen könnte. Wir erkennen das namensgebende Gipfeltürmchen, das tatsächlich wie ein Rührkübl geformt ist. Dann umhüllt uns wieder dichter Nebel. Am Joch fellen wir deshalb ab und sparen uns die ausgesetzte Kletterei zum höchsten Punkt. Nach der Abfahrt wissen wir, dass wir das Beste aus diesem Tag gemacht haben und sich die Tour wie folgt zusammenfassen lässt: oben Pulver, aber Blindflug; unten bessere Sicht, aber Pappschnee mit Deckel.



Am nächsten Tag lacht die Sonne. Das Beste dabei: Ganz hinten in Kolm-Saigurn, im nordseitigen Talschluss auf 1.600 Metern, konnten die warme Luft und der Regen in den unteren Etagen dem Pulverschnee nichts anhaben. Was für ein Amphitheater! Die kalte Luft hier oben konserviert den Stoff, aus dem unsere Träume sind. Ganz frei in der Routenwahl sind wir dennoch nicht. Die umliegenden Dreitausender, allen voran Hocharn, Hoher Sonnblick und Schareck, sind primär Ziele für stabilen Frühjahrs-Firn. Doch auch jetzt, im Hochwinter, warten lohnende Gipfel wie Großer Silberpfennig oder Kolmkarspitze. Wir entscheiden uns für letzteren und starten am Naturfreundehaus. Im Gänsemarsch geht es durch den Wald, bis wir eine weite Almfläche erreichen, über die Hütten mit windgegerbten Fassaden verstreut sind. Was für eine Idylle, während die Schneekristalle unter den Fellen knirschen und in der Sonne funkeln! Wir haben das Gefühl, hier goldrichtig zu sein. Und das ist durchaus wortwörtlich gemeint.

Wolfgang lacht, wenn man ihn darauf anspricht. Er weiß nicht mehr, wie oft er die bewegte Geschichte des Raurisertales schon erzählt hat. Tatsächlich hatten in der Goldberg-Gruppe, diesem nordöstlichen Eckpfeiler der Hohen Tauern, bereits die Römer nach dem begehrten Edelmetall gebuddelt. Seine Blütezeit erlebte der Rausch zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert, als 3.000 Bergknappen in den Stollen schufteten und jedes Jahr 16 Kilo reines Gold zutage beförderten. Mehr als 100 Kilometer maßen die unterirdischen Gänge, die die Glückritter in die Goldberge trieben. In Rauris ließen sich nicht nur Kumpel, sondern auch Wirte, Verwalter und Händler nieder. Sie gönnten sich große, komfortable Steinhäuser. Die Rolle des bettelarmen Bergtales überließen die Rauriser anderen. Eine kleine Eiszeit beendete den Boom jedoch abrupt. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts erinnerte sich der Hirtenbub Ignaz Rojacher an den Schatz in den Bergen und sicherte sich die Schürfrechte. Neben Gold ließ er nun auch Silber aus den Eingeweiden des Massivs holen – bis sich die Förderung nicht mehr rentierte und er die Abbaurechte abstieß. „Rojacher ist trotzdem der größte Sohn unserer Gemeinde“, meint Wolfgang. Danach ging nämlich nicht mehr viel. In den 1980er Jahren wollte eine US-Firma sogar mit ätzendem Natriumzyanid Gold aus dem Berg pressen, was zum Glück an den Nationalpark-Statuten scheiterte. Heute erinnern noch Goldwaschplätze für Touristen an die ehemals glanzvollen Zeiten.


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