Es ist nicht weniger als eine Legende, die den Raum betritt. Peter Habeler treffe ich in seinem Geburtsort, in Mayrhofen, wo die formschöne Ahornspitze noch lange schneebedeckt über dem Zillertal thronen wird. Wir schütteln uns die Hände, schauen uns in die Augen, sind sofort beim Du – so wie es im Zillertal eben üblich ist – und prosten uns zu. Habeler ist Jahrgang 42. Topfit. Kerngesund. Zum Wohl!
Anfangs weiß ich noch nicht wirklich, wie ich diese Aussage einordnen soll. Habeler verrückte schließlich selbst die Grenzen des Denkbaren, die Grenze des Möglichen. Gemeinsam mit Reinhold Messner bestieg er den Mount Everest – erstmals ohne Sauerstoff. 44 Jahre ist das nun schon her. Niemand wusste, ob das überhaupt gut gehen kann. Einfach nur Schwein gehabt?
Und so gelang der außergewöhnlichen Seilschaft, was die meisten Menschen als unmöglich erachteten. Peter Habeler erzählt heute davon, als sei das nichts weiter als ein glücklicher Zufall gewesen. Dabei sind die Erinnerungen zweifelsfrei, klar und deutlich.
Der Bergsteiger spricht vom Everest. Von Kameradschaft und von längst vergangenen Zeiten. Wie er erstmals mit Messner in Italien kletterte. Und vom berühmten Anderl Heckmair, der durch die Erstdurchsteigung der Eiger Nordwand weltbekannt wurde. Gut hat er ihn gekannt. Peters Geschichten bereiten uns beiden in diesem Moment gleichermaßen große Freude.
Zwei Generationen am Berg. Der Beste von damals, mit dem Besten der Gegenwart. Fast 75 Jahre alt war Habeler da. Zwei Jahre später kam Lama in den Rocky Mountains ums Leben. Habeler war es, der das Ausnahmetalent schon im Kindesalter während eines Kletterkurses entdeckte, sein Talent förderte und ihm immer sehr nahestand. Ein schlimmer Verlust.
Habeler ist durchaus gläubig, aber auch ein Realist, so wie man es wohl sein muss, um ein ganzes Leben auf derart hohen Bergen zu verbringen. Das ist vielleicht auch, was ihn zur Ikone machte. Sogar einen Wanderweg hat man hier im Zillertal nach ihm benannt. Der Weg sei wunderschön, mit tollen Etappen und geschichtsträchtigen Hütten. Er selbst sei aber eben dann doch mehr der Kletterer. Und dass sein Seilpartner vom Everest heute eine ganze Museumskette führt, als berühmtester Bergsteiger aller Zeiten gilt, das stört den zutiefst glücklichen Bergmenschen nicht im Geringsten.
Ähnlich sieht er das mit seinem geliebten Zillertal. Das sei mittlerweile sehr gut ausgebaut. Mit tollen Skigebieten und modernen Liften. Aber es sei eben auch ausgereizt. Wenn es nach Habeler geht, dann hat man im Zillertal doch schon von allem genug – dann braucht es nicht mehr.
Wenig später stehen wir dann im Garten des schönen Hotels. Ein Foto möchte ich hier noch schießen, doch Peter ist abgelenkt. Ihn fesseln die wuchtigen Natursteine, die hier fast mannshoch als Begrenzung aus dem Rasen ragen. Die fast 80 Jahre alten Hände, wettergegerbt und noch immer kraftvoll, tasten sich da über die raue Oberfläche, suchen nach Strukturen, nach Rissen und Griffen. Peter bestaunt das Gestein. Ich dagegen bestaune die Art, mit der ein Mann in seinem Alter noch derart leuchtende Augen beim Anblick eines Felsen bekommen kann.
Autor: Benni Sauer
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