Es gibt sie noch. Dinge, von denen man glaubt, dass sie längst ausgestorben sind: Der Bleistiftanspitzer, ein Relikt der analogen Schreibkunst, erfreut sich noch immer an einem Platz auf Schreibtischen. Und die Vinyl-Platte feiert ihr Comeback. Doch es gibt noch mehr. Die »Backcountry Weeks« in Davos sind ein weiteres Beispiel. Dieses familiäre Festival verkörpert die Ursprünglichkeit des Bergsports.
Es ist kurz nach acht Uhr an diesem Samstagmorgen im Januar. Die Sonne lässt sich noch nicht blicken, meine Hände freuen sich über dicke Handschuhe. Im Base Camp des Festivals auf einem großen Hotelparkplatz herrscht bereits reges Treiben. Zelt an Zelt reihen sich bekannte Bergsportmarken wie Arc’teryx, BCA, Black Crows, K2 Montana, Movement und Salomon auf. Mit dabei haben sie Testmaterial ihrer aktuellen Ski- und Bergsportkollektion. Aber erstmal Zeit für einen Kaffee. Diesen gibt es hier übrigens auch aus den Bergen. Frisch gerösteten Café Badilatti aus dem Engadin – also direkt von der anderen Bergseite. Diese Kaffeerösterei gilt als älteste im Kanton Graubünden – seit 1912 röstet sie Kaffeebohnen aus aller Welt. Aber zurück zum Festivalgelände. Ich schlendere am Stand von Black Crows Skis vorbei. Eine Marke, die zurzeit einen ziemlichen Hype erlebt. Kein Wunder: tolle Skier und ein auffallendes Design. Dies zeigt sich auch an der langen Warteschlange vor dem Stand. Ich entscheide mich spontan für den Salomon-Stand gegenüber. Ausgerüstet mit neuen Tourentestskiern und Fellen mache ich mich auf zu meiner eingeteilten Skitourengruppe. Eine buntgemischte Truppe wartet auf mich: Ein Programmierer aus Polen, der bei Google arbeitet oder zwei Engländer aus London. «So, wir sind komplett», sagt unsere Bergführerin Christina. Ebenfalls bemerkenswert. Denn von über 1550 Bergführern in der Schweiz sind zurzeit lediglich 42 Frauen darunter. Ihre Ausbildung hat Christina übrigens zusammen mit Biathlon-Legende Laura Dahlmeier absolviert. Wir verladen die Skier in einem älteren Bus und befreien die Frontscheibe vom Eis der Nacht. Los geht’s. Christina schaltet sanft. Mit gutem Grund: Die Kupplung ist nicht mehr die beste. Wir fahren aus Davos raus. Und rein ins Seitental Sertig. Wirklich einsam ist man dort selten. Trotz ihrer Abgeschiedenheit gehört die Landschaft »Hinter den Eggen« zu den beliebtesten Ausflugszielen in Davos, der kleine Ort mit dem Kirchlein zu den schönsten Bündner Bergdörfern.
»Die Bergüner Furgga im hintersten Sertigtal bei Davos ist aufgrund ihrer nordostseitigen Ausrichtung und hohen Lage ein lohnendes Skitourenziel.« Franz Thomas Balmer, Autor
Plötzlich wird beim ersten Anstieg ins Seitental der Motor lauter. Christina wird nervös. Kein Wunder: Die Drehzahl erhöht sich, aber das Getriebe nimmt die erzeugte Kraft nicht an – und der Bus beschleunigt nicht so, wie er sollte. Der Duft von verbrannten Gummi liegt in der Luft. Ende der Ausfahrt. Vorerst.
Wir lassen uns davon nicht entmutigen, die Stimmung bleibt gut. 20 Minuten später nehmen uns zwei Autos mit hinauf nach Sertig. Später als geplant starten wir unsere Skitour. Ein kurzer LVS-Check und wir laufen los. Vom Walserhuus aus zuerst auf einem geräumten Spazierweg taleinwärts bis zu einer Brücke in Richtung Sertigpass. Das Tal liegt noch im Schatten. Vor der Brücke beginnt linkerhand ein Alpweg, über den man zu einer Markierungsstange hinaufsteigt. Nach einem großen Felsblock am Wegesrand zieht es uns sanft ins Chüealptal.
Die Sonne lugt über die Bergspitzen. Nach einer guten Stunde überqueren wir unterhalb einer großen Almhütte »Bim Schära« auf 2101 Meter über Meer den Chüealpbach. Weiter nach Südwesten zu einem ausgeprägten Rücken hin, der einen steilen Hang zur Rechten begrenzt. Über diesen »Wiss Gufer«-Rücken steigen wir bergauf und überwinden mit ersten Spitzkehren diese Steilstufe. Außer uns ist niemand unterwegs heute. Mit der Plattenflue vor Augen, spuren wir durch den herrlichen Karboden stetig aufwärts, bis wir ein Felssturzgelände mit großen Felsblöcken erreichen. Wir schlängeln uns hindurch. Ein tolles Gefühl. Die Spur führt nun flach in einen Kessel hinein und anschliessend über eine kurze Steilstufe zur schon sichtbaren Bergüner Furgga (2741 m) empor. Bei den letzten Spitzkehren sichert Christina die in den Harsch gepresste Aufstiegsspur zusätzlich mit ihrem Eispickel. Geschafft!
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