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Was tun wenn’s läuft? #BALLERN

Langstreckenläufer, Red Bull Athlet, Weltrekordhalter und Wings for Life World Run Antreiber Flo Neuschwander.

Ruhig ist es in Inzell. Nur einige wenige Straßen ziehen zwischen den Bergen hindurch, von Siedlung zu Siedlung. Viel mehr ist hier, zwischen dem Nationalpark Berchtesgaden im Südosten und dem Chiemsee im Nordwesten, auf den ersten Blick nicht auszumachen. Ich drücke das Klingelschildchen. „RUN WITH THE FLOW“ ist auf ihm zu lesen. Ganz offensichtlich bin ich hier richtig. Wenig später strecken wir die Füße in die wärmende Wintersonne und unterhalten uns. 


Servus Flo! Dein Akzent verrät mir, dass du nicht von hier kommst?

Richtig, ja. Eigentlich komme ich aus dem Saarland. Ich habe aber auch in Hessen gewohnt, das hört man mir vielleicht auch noch etwas an. Vor fast drei Jahren hat es mich dann aber hierhergezogen. Nicht nur weil es wunderschön ist, sondern auch, weil die Trainingsmöglichkeiten für mich optimal sind. Hier kann man einfach besser Höhenmeter sammeln als in Frankfurt!


Das bedeutet, dass du hauptberuflich Läufer bist & sogar deinen Wohnsitz dem Job anpasst?

Genau. Zusätzlich habe ich aber auch noch einen Online-Shop, über den ich Klamotten meiner Marke Run with the Flow verkaufe. www.run-with-the-flow.com


Darauf kommen wir später noch einmal zu sprechen. Zuerst würde ich aber gerne wissen, wie es zum Erfolg im Laufsport kam.

Ich habe nach der Schule Sport studiert, dann aber wegen einer Verletzung lieber eine Ausbildung angefangen. So habe ich in vielen Sportgeschäften gearbeitet und Laufschuhe verkauft. Beim Wings for Life World Run 2015 in Darmstadt war ich dann eine halbe Stunde live im Fernsehen zu sehen. Danach sind meine Social-Media-Kanäle förmlich explodiert und es kamen immer mehr Sponsoren auf mich zu. So wurde ich nicht nur zum Berufssportler, sondern bekam schon bald erste Anfragen nach Caps und Shirts. Also habe ich eine Handvoll drucken lassen – das war alles sofort ausverkauft.


Der Wings for Life World Run ist seitdem eng mit dir verbunden.

Ja, weil mir das Konzept so gut gefällt. Auf dem ganzen Globus treten Läufer an den Start und laufen gemeinsam gegen das virtuelle Catcher Car. Früher oder später holt es einen ein – die Frage ist nur, welche Strecke man bis dahin zurückgelegt hat. Das klingt jetzt zwar so, als könne man nur verlieren, aber das Gegenteil ist der Fall: Vor allem, weil jeder, wirklich jeder mitmachen kann. Und das Beste daran ist, dass 100% des Startgeldes in die Rückenmarksforschung fließen!


Das klingt super. Es gibt sogar Teams, die gemeinsam an den Start gehen?

Das stimmt. Mein Team war 2021 das Größte und hat seit 2016 jedes Jahr weltweit gewonnen. Ihr könnt auch dieses Jahr gerne im Weltrekord Team dabei sein!


Da war sicherlich auch deine große Fanbase beteiligt, oder? Wie kommt es überhaupt dazu, dass ein Läufer eine so große Gemeinschaft in den Sozialen Medien aufbauen kann?

Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich mache, worauf ich Bock habe. Ich verstelle mich nicht. Alles was ich poste ist eben das was mir gerade im Kopf rumschwirrt, was ich gerade mache oder was ich halt lustig finde. Das bin ich. 


Sieht so auch dein Trainingsplan aus?

Ja, total! Ich laufe, wie ich will. Wenn ich gut drauf bin, wird eben geballert. Das ist schon teilweise etwas verrückt, weil ich zwar immer wieder einen Plan im Kopf habe, ihn aber auch immer wieder umwerfe. Einen ganz strickten Plan habe ich also nie, es sei denn ich bereite mich ganz direkt auf etwas vor. Bald beginnt zum Beispiel die Vorbereitung auf einen 100 km-Lauf in den USA.


Kannst du Vorbereitung etwas konkretisieren?

Ich werde dabei über zwölf Wochen schon darauf achten, dass ich zwei, drei Mal die Woche eine Kerneinheit trainiere. Der Rest ist aber eher Freestyle, so wie ich halt Bock habe. Das können Skitouren sein, Langlaufen, oder auch mal paar Einheiten auf dem Laufband oder der Rolle. Je nach Laune und Wetter.


Ist das Bergsteigen dann nur eine Trainingseinheit, oder vielleicht auch mehr?

Das ist natürlich mehr! Am Gipfel zu stehen ist immer schön. Es ist aber auch mehr, weil ich viel langsamer unterwegs bin als sonst – besonders auf Skitouren. Dafür bin ich aber auch länger im Grundlagenbereich unterwegs und genieße das sehr. Oft mache ich dann gleich mehrere Aufstiege. Meistens kommen dann pro Tour 1500 bis 3000 Höhenmeter zusammen. Im Sommer kommen auch mal Kraxel-Touren dazu. Richtige Klettereien mit ausgesetzten Passagen lasse ich aber aus.


Das klingt tatsächlich so, als würdest du einfach nur das tun was dir Spaß macht. Es erstaunt mich, dass man so Spitzenläufer werden kann.

Das stimmt schon irgendwie. Aber die ambitionierten Läufer sind teilweise auch schon zu ambitioniert. Die müssen einfach nur jeden Tag Kilometer schrubben. So habe ich früher auch getickt: Ich hatte meine Mindestkilometer, die ich in der Woche laufen musste, damit es eine gute Woche war. Bei dem vielen Schnee hier, macht es aber überhaupt keinen Sinn jeden Tag so viel zu laufen. Also habe ich mein Training komplett umgeswitcht. Jetzt gibt es neben dem Laufen wie gesagt auch noch andere Trainingseinheiten. Langsamer bin ich dadurch auf jeden Fall nicht geworden. 


Offensichtlich, so hast du es sogar zu Weltrekordzeiten auf dem Laufband gebracht!

Im Februar 2020 bin ich die 50 Kilometer in 2:57:25 gelaufen. Ich hatte zwar den früheren Rekord um fast zwei Minuten unterboten, mein Rekord wurde aber schon zwei Monate später wieder gebrochen. Ich machte mich an eine neue Herausforderung und brach den früheren Laufband-Weltrekord über 100 Kilometer im Januar 2021 um satte 13 Minuten. 


Das bedeutet du bist 100 Kilometer in welcher Zeit gelaufen?

6:26:08


Beeindruckender Weltrekord! Glückwunsch dazu! Da stellt sich die Frage, ob dein Speiseplan ähnlich locker wie der der Trainingsplan ist.

Das ist er. Ich esse eigentlich was ich will. Seit schon fast drei Jahren ernähre ich mich auch vegan. Meine Frau hat mich dazu gebracht. Dabei geht es mir hauptsächlich ums Tierwohl. Früher habe ich zwar immer mal wieder gerne Fleisch gegessen, aber darauf kann ich wirklich problemlos verzichten. Eine spürbare Änderung meiner Fitness habe ich nach dem Wechsel übrigens nicht wahrnehmen können. Außerdem trinke ich gerne auch mal ein Bier oder Glas Wein. Das gehört für mich dazu und ich weiß nicht, warum ich drauf verzichten sollte.


Du hast vorher einen großen Lauf in den USA angesprochen. Worum geht es dabei?

Mit einem Sieg möchte ich mich für einen Platz beim nächsten Western States Endurance Run sichern. 2018 war ich schon einmal bei diesem 100-Miler dabei. 161 Kilometer. 5500 Höhenmeter bergauf und 8000 Höhenmeter bergab. Das ist echt Hardcore. Ich kam nach 20 Stunden und 22 Minuten ins Ziel. 


Wie die Vorbereitung dazu aussieht, kann ich mir denken. Aber wie ist die Zeit nach so einem Rennen? Wie lange steckt das in den Knochen?

Ein 100 km-Lauf kann schon drei bis vier Wochen im System sitzen. Das geht aber meistens ganz gut bei mir mit der Regeneration. Der Western State hat mich aber richtig zerstört. Drei Wochen war ich richtig am Sack, insgesamt habe ich die Auswirkungen aber fast ein halbes Jahr gespürt. Es war allerdings auch mein erster 100-Miler. Sollte ich es wieder an den Start schaffen, möchte ich meine Zeit von 2018 um vier Stunden verbessern.


Vier Stunden?

Das klingt jetzt viel, aber man muss bedenken, dass man, wenn man wie ich 2018 die letzten Meilen fast nur noch wandert, unheimlich viel Zeit verliert. Vier Stunden schneller zu sein, ist durchaus realistisch. 


Dafür wünschen wir viel Erfolg! Letzte Frage: Deine Marke Run with the Flow steht für coole Alltagskleidung. Designst du das selbst?

Das gestalte ich zusammen mit einem Grafiker. Dabei geht’s natürlich wieder um jede Menge Spaß. Darum zu tun was man will. Ums Ballern. Und vielleicht gibt es bald nicht nur Freizeitklamotten, sondern auch technische Laufbekleidung! Man kann gespannt sein!


Danke für das Gespräch und alles Gute!

Interview: Benni Sauer

www.run-with-the-flow.com
www.wingsforlifeworldrun.com

Wann? 8. Mai 2022, 13.00 Uhr
Wie? Mit der App, da wo du gerade bist oder beim Flagship Run in München
Anmeldung unter: wingsforlifeworldrun.com

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