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Das Juwel in der Mischabelgruppe

Die komfortable Dom-Hütte im Wallis versüßt den Aufstieg zum höchsten vollständig auf Schweizer Boden stehenden Viertausender. Wer ein besonderes Erlebnis sucht, steigt über den anspruchsvollen Festigrat auf.

Der Dom zeigt seine Zähne: Wütende Windböen zerren an uns, fegen uns fast vom Grat. Eiskristalle stechen in die Wangen und verkleben die Augen. Für einen Blick auf die ebenmäßigen Pyramiden von Weißhorn und Matterhorn haben wir gerade keine Muße – obwohl beide Gipfel im violetten Morgenlicht fast surreal schön am Horizont leuchten. Wir ziehen die Kapuze tiefer ins Gesicht. So war das nicht ausgemacht. Die Meteorologen hatten gutes Wetter angekündigt – und jetzt kraxeln wir auf allen Vieren im Föhnsturm dem Gipfel des Dom entgegen. Angst kommt trotzdem keine auf. Denn Bergführer Charly Kalbermatter hat uns am kurzen Seil. An eisigen Steilstufen sichert er mit Schrauben. Der Walliser weiß, was er tut. Er arbeitet präzise wie ein Schweizer Uhrwerk.


Trotzdem müssen wir kurz an den gestrigen Abend denken, als wir auf der Hütte ankamen. An unserem Tisch saß Martin aus Berlin. Wir fragten ihn, auf welcher Route er dem Dom auf den Pelz rücken wolle. Der 46-Jährige antwortete, er wolle nur bis zum Fuß des Festijochs gehen – um seinem Vater zu gedenken, der beim Abstieg vom Dom vor genau 40 Jahren mit seinen vier Seilpartnern in einer Lawine umgekommen sei. Ende August also, mitten im Sommer! Alles, was Martin blieb, war ein Foto, das einer der fünf Alpinisten am Gipfel geschossen hatte. Nur einer der Bergsteiger wurde gefunden, Martins Vater liegt noch immer dort oben.

Martins Geschichte hatte uns daran erinnert, dass wir trotz der wohligen Wärme und der heimeligen Atmosphäre auf der Hütte von einer recht feindlichen Umwelt umgeben sind. Schon die Hütte liegt mehr als 2.900 Meter hoch, der Gipfel des Dom (4.545 m) ist der höchste Berg, der ganz auf Schweizer Boden steht. Umso beeindruckender ist es, dass hier bereits 1890, nur 32 Jahre nach der Erstbesteigung durch englische und einheimische Alpinisten, eine Hütte erbaut wurde. Um- und Erweiterungsbauten folgten 1957 und dann noch einmal 1977, als die Hütte nach Plänen des SAC-Hüttenarchitekten Jakob Eschenmooser ihre markante achteckige Form erhielt, die an ein Bergkristall erinnern sollte. Nur: Bequemer wurde sie dadurch nicht. Immer war es zu eng, zu Abend gegessen wurde in zwei Schichten. Wer den Dom in der Tasche hatte, stieg meist noch am selben Tag 1.600 Höhenmeter nach Randa ins Tal ab, um sich eine weitere Nacht Löffelliegen im Massenlager zu ersparen.

2013 hatte das ein Ende. „Viele Gäste bleiben jetzt eine zweite oder sogar eine dritte Nacht“, freut sich Hüttenwirtin Salomé Keller. Jeweils acht Bergsteiger schlafen in Zimmern mit vier Stockbetten. Es gibt kuschelige Decken, gute Matratzen, ausreichend Platz, viel helles Holz und auf Nachfrage sogar eine Dusche. Im geräumigen Speisezimmer, der ehemaligen Küche, sitzt man gemütlich auf selbst genähten Kissen und auf den Tischen stehen Blumen. Die Alpinisten genießen ein mehrgängiges Menü, und es gibt Nachschlag für Extra-Hungrige. Wer etwas zu feiern hat, bekommt einen edlen Tropfen, wer Durst hat, einen günstigen Roten oder Weißen.


Der An- und Umbau war lange diskutiert worden. Allein: Es fehlte das Geld. Als die SAC-Sektion Uto Zürich, der die Hütte gehört, die 2,8 Millionen Franken 2011 endlich beisammen hatte und der Baubeginn anstand, rechneten die Verantwortlichen noch einmal nach und stellten fest, dass das Projekt wohl um 0,7 Millionen Franken teurer wird, weil die Kosten zwischenzeitlich massiv gestiegen waren. Laut SAC-Statuten darf aber nicht gebaut werden, bevor die Finanzierung steht, und zwar ohne Kredite. Der Umbau lag damit auf Eis, bis der frühere Präsident der Sektion Uto, Manfred Hunziker, die Spendierhosen anzog. Der pensionierte Ingenieur, Verfasser mehrerer Alpin-Führer und Besteiger sämtlicher Viertausender der Alpen, hatte eine größere Erbschaft gemacht und sich kurzerhand entschlossen, eine Million Franken für die Modernisierung der Dom-Hütte („Sie liegt mir ganz besonders am Herzen“) locker zu machen. Im Sommer 2012 konnte die Air Zermatt endlich beginnen, hunderte Tonnen Material und Beton zur Baustelle zu fliegen. Rund 1.200 Rundflüge sollten notwendig werden, ehe die neue Hütte in der Sommersaison 2013 an den Start gehen konnte. Hunziker, der im Oktober 85 wird, feierte natürlich kräftig mit.


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