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Hinter der Linse: Moritz Ablinger

Wenn die unberührte Neuschneedecke in der aufgehenden Sonne glitzert. Wenn ein Skifahrer genau im richtigen Moment durch den Pulver staubt. Wenn sich das frühe Aufstehen mal wieder gelohnt hat und ein Bild entsteht, das dazu anregt, gleich morgen früh selbst auf Skitour zu gehen, dann steckt meistens Moritz Ablinger dahinter.


Der junge Fotograf ist dabei keineswegs nur Adrenalin-Junkie und Powder-Freak. Die Fotografie stellt für ihn ein ausgesprochen weites Betätigungsfeld dar, in dem der Bergsport zwar die schönste, aber nicht unbedingt die prägendste Rolle spielt. Wie Moritz Ablinger arbeitet, was er mit seinen Bildern ausdrücken möchte und was ihn neben dem perfekten Ski-Foto noch reizt, das hat er uns in einem Interview erzählt.

Hallo Moritz, stell dich doch bitte unseren Lesern kurz vor. 
Servus! Ich bin der Moritz, Jahrgang 1996, aufgewachsen in der oberösterreichischen Prärie am Attersee. Inzwischen bin ich in Innsbruck wohnhaft und würde mich selbst als Bergsport-Fotografen bezeichnen. Zweidrittel des Jahres bin ich zwischen Jobs und freien Projekten unterwegs. Im Winter primär mit breiten Powderlatten, im Sommer mit Bike oder Bergschuhen. 

Dank etwas Glück und intensiver Arbeit kann ich inzwischen ganz gut von der Fotografie leben. Wenn ich mal nicht fotografiere? Tja, dann liege ich unter einem meiner Autos und schraube. Ich habe mir kürzlich einen alten, britischen Geländewagen gekauft, was ich inzwischen keinem empfehlen kann – der braucht gerade viel Zeit. 


Wie kam es dazu, dass du mittlerweile sogar hauptberuflich fotografierst?
Das war anfangs eigentlich nichts als pures Glück. Ich kam damals mit 18 total frustriert von einer Matura-Reise aus Griechenland nach Hause, und dachte mir: Cluburlaub, Badestrand und Hotelburgen … das ist nicht meine Vorstellung von Reisen. Dann habe ich mir noch am selben Tag mit einem Freund einen Flug nach Island gebucht. Wir sind unter anderem den Laugavegur-Trek mit dem Bike gefahren, haben drei Wochen bei widrigsten Bedingungen im Zelt gelebt und vorrangig Stockfisch gegessen. Die Fotos habe ich zu Hause komplett ohne große Erwartungen an ein bekanntes deutsches Bike-Magazin geschickt. Und die haben dann tatsächlich eine Fotostory publiziert. 

Daraufhin hast du die Sache also intensiviert?
Genau. Ich habe unter anderem die Akademie in Graz absolviert. Das war teils weit weg von dem, wo ich mit der Fotografie hinwollte. Ich wollte Bergsport-Fotos machen. Kurse über Kunstgeschichte, Kriegsberichterstattung, Street-Fotografie oder Analog-Entwicklung waren mir anfangs sehr fremd. Heute weiß ich das alles aber unglaublich zu schätzen und möchte die Zeit niemals missen. Die Aspekte dieser Kunstform auch außerhalb der eigenen Blase zu kennen, bringt oft einiges. 

Danach bin ich nach Wien gegangen und habe dort ein technisches Studium absolviert. Mit viel Einsatz, durchgearbeiteten Nächten und einem immer vollen Terminkalender habe ich mir dann nebenbei mein Gewerbe aufgebaut. Nach dem Abschluss hat es dann schlussendlich gereicht, um Vollzeit in das Ganze einzusteigen. 


Seitdem hast du an einer ganzen Menge Projekte mitgewirkt. An welche Momente erinnerst du dich da besonders gerne?
So unpassend das jetzt klingen mag, aber das waren meist die Projekte abseits der Sportfotografie. Ein Reportage-Projekt über Migration am Grenzzaun der spanischen Exklave Melilla (Marokko) hat mich sehr bewegt und zutiefst erschüttert zugleich. 

Bergsport ist wunderbar, ich könnte hier jetzt auch über die Powdertage des Mega-Winters 2018/19 oder die Trails auf über 4000m im Iran philosophieren. Aber je mehr ich gereist bin, desto mehr habe ich gemerkt, dass es in der Welt am Ende um mehr geht als perfekt inszenierte Sonnenuntergänge und weite Jumps. Mit Mitte-20-jährigen Nigerianern, die ihre besten Freunde auf der Flucht verloren haben, in Marokko am Lagerfeuer zu sitzen, versteckt vor der Polizei, – das prägt einen dann schon. 

Das heißt du bewegst dich in einem sehr breit gefächerten Bereich der Fotografie.
Das stimmt. Ich habe in den vergangenen Jahren zugegebenermaßen oftmals Reise- oder Editorial-Stories den Werbekunden vorgezogen. Da war meist mehr Abenteuer, mehr Ungewissheit vorab und demzufolge oft auch mehr Freude dabei. Corona hat da viel verändert, die vergangenen zwei Jahre habe ich fast nur Commercials geshootet. Was im Umkehrschluss nicht heißen soll, dass mir das keine Freude macht! Aber für die Zeit nach der Pandemie stehen schon wieder mehr Reiseprojekte auf dem Plan. 

Abgesehen vom Sport versuche ich zudem regelmäßig Reportage-Projekte umzusetzen. Ich denke das ist alles ein kontinuierlicher Prozess. Wichtig ist und war mir immer, vom Job wirklich gefordert zu sein. Sobald etwas Routine wird, geht oft die Kreativität verloren. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass die Reise für mich irgendwann noch in andere Bereiche der Fotografie führt.

Was im Sommer das Biken, ist im Winter das Skifahren – zumindest erscheint das so auf deinen Bildern. Was verbindest du mit dem Skifahren und was gefällt dir an der Wintersportfotografie besonders? 
Was mich am Ski-Freeride-Sport immer fasziniert hat, ist die unglaubliche Freiheit, sich seine Lines zu suchen. Du bist weder auf einen Wegverlauf noch auf irgendeine Art der Infrastruktur angewiesen, sondern zeichnest einfach in ein steiles Face, durch eine schmale Rinne, oder über eine Wechte deine Linie. Und genau diese Freiheit macht das Ski-Fotografieren dann auch wieder so spannend und abwechslungsreich.

Sicherlich kommen im Winter ganz andere Hürden auf einen Fotografen zu als im Sommer. Was sind die typischen Problemchen und wie gehst du damit um?
Zum einen erfordert jedes Shooting ein hohes Maß an Planung und gute Koordination des Teams vor Ort, damit der Rider dann im richtigen Licht, bei den passenden Bedingungen am richtigen Spot die geforderte Action liefert. Eine zweite Chance gibt es da oft nicht. 

Zum anderen muss ich mich selbst auf vielen Ebenen gut organisieren, damit am Ende alles passt. Ein Drohnenakku hält im Winter keine fünf Minuten, mit den sowieso immer präsenten alpinen Gefahren muss man umzugehen wissen. Objektive zu wechseln oder die Drohne zu starten kann in einer steilen Rinne ganz schön tricky werden. Und die Finger sind sowieso immer taub. 


Kannst du uns einen kleinen Einblick in dein Equipment geben?
Aktuell bin ich mit einem Rucksack voll Sony-Equipment unterwegs, dazu kommt eine DJI Mavic Pro 2 Drohne. Der Umfang an Kameras und Objektiven variiert dabei stark, und ist oft auch einfach von den zu bewältigenden Höhenmetern oder der Schwierigkeit einer Abfahrt abhängig. Ich fotografiere unglaublich gerne mit Festbrennweiten. Wenn ich aber an einem Shooting-Tag 2000 Höhenmeter stapfen muss, bleiben die zu Hause.

Wenn es ein paar Faustregeln gibt, nach denen du arbeitest: Welche sind das?
Alles steht und fällt mit dem Licht. Ich habe bei vielen Shooting-Vorbesprechungen immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich dann dem Team präsentieren muss, dass wir um 3 Uhr losmüssen. Aber meist sind solche Sunrise-Sessions den Aufwand dann wert.

Andererseits ist es mir immer sehr wichtig, den Sport, den ich fotografiere, wirklich verinnerlicht zu haben. Ich bin der Meinung, dass die Bilder dann am authentischsten werden, wenn man selbst erfahren hat, auf welchen Moment es ankommt. Demzufolge bin ich selbst unglaublich viel am Mountainbike und auf Ski unterwegs. Baseball zu shooten wäre mir demgegenüber komplett fremd, weil ich die Sportart nie so richtig durchschaut habe.

Was willst du mit deinen Bildern ausdrücken – und wie genau gelingt dir das?
In erster Linie will ich den Betrachter dazu animieren, sich selbst auf den Weg zu machen und Eindrücke da draußen zu sammeln. Mir hat der ganze Bergsport in vieler Hinsicht einen anderen Blick auf die Dinge gegeben. Das wünsche ich auch anderen. 

Darüber hinaus war es mir immer schon wichtig mit Reisereportagen dem Leser einen Zugang zu einer Welt zu geben, die er möglicherweise nur aus den Schlagzeilen kennt. Wenn über ein Land oder eine Region medial immer primär negativ berichtet wird, sei es aufgrund eines Konfliktes, dann behält dieses Land die negative Reputation oft über Jahrzehnte und kommt für die meisten nicht als Reisedestination in Frage. Das war beispielsweise bei einem Bike-Trip in den Iran so. Da meinten am Anfang unzählige meiner Freunde, wir fliegen in ein Kriegsgebiet. Und was war es am Ende wirklich? Das gastfreundlichste und offenste Land, das ich je besuchen durfte. In Zukunft sind in diese Richtung auch wieder mehr Projekte geplant.

Welchen Teil übernimmt da die Bildbearbeitung? Und wie stehst du, bzw. die junge Generation mittlerweile gegenüber Instagram, Facebook und Co.?
Dass ich gerne mit Lookups spiele, kann ich in dem Fall nicht leugnen. Früher hatte man die Wahl zwischen den Rot-Grün Tönen eines Fuji-Films oder den zarten Hauttönen eines Portra 400, heute überlegen wir uns Lookups in der Nachbearbeitung. Ein Stilmittel sozusagen. Ich finde es immer total spannend, den eigenen Look weiterzuentwickeln, oder mit einem Kunden gemeinsam einen Look zu kreieren, der seine Bilder dann ein wenig vom Rest abhebt.

Was Instagram betrifft – ich muss immer schmunzeln, wenn ich mehrmals täglich Fotos von Pragser Wildsee, Trolltunga, Seceda oder der Olpererhütte sehe. Gleichzeitig ist das ganze als Self-Promotion unerlässlich geworden. Ich bin da selbst oft zu nachlässig. Oft fehlt aber auch schlicht die Zeit dazu.


Ein Blick in die Zukunft: Was wird dieser Winter für dich bringen, was das nächste Jahr, was die nächsten Jahre? 
Da darf ich gar nicht zu viel verraten! Zum einen müssen wir natürlich schauen, was pandemiebedingt möglich ist. Mir macht Corona das Leben nach wie vor und trotz Impfung teils ganz schön kompliziert. In der Hochsaison alle paar Tage mit anderen Teams zu arbeiten, birgt auch so seine Tücken. Davon abgesehen stehen diesen Winter ein paar Filmprojekte an, die ich als Fotograf begleite. Der nächste Sommer ist auch bereits in der Vorbereitungsphase. Da hoffe ich aus jetziger Sicht, dass sich die geplanten Reiseprojekte umsetzen lassen.

Interview: Benni Sauer

ZEHN KURZE FRAGEN:

1. Skifahren ist für dich: Freiheit.
2: Biken ist für dich: Therapie.
3: Die schönsten Berge der Welt: Die, für die du dir Zeit nimmst.
4: Lebst du eigentlich wirklich in dem VW Bus? Haha, nicht Vollzeit. Es gab mal ein Jahr mit über 100 Nächten im Bus, aber das war mehr dem Studium in Wien und der fehlenden Wohnmöglichkeit im Westen geschuldet. Inzwischen bin ich in Innsbruck wohnhaft. Wenn ich sage ich lebe oft mal mehrere Wochen im Bus, dann denken immer alle an einen ungeduschten Hippie. Tatsächlich ist der Allrad-Van aber quasi mein mobiles Office mit Strom, Internet, Heizung, Bett und Küche.
5: Welches Buch liest du gerade? 55 Kuriose Grenzen & 5 Bescheuerte Nachbarn von meinem Freund Fabian Sommavilla. Dabei geht’s um außergewöhnliche internationale Grenzkonflikte.
6: Lieblingsbrennweite: 35mm
7: Dein zuletzt bestiegener Gipfel: Ich habe vor ein paar Tagen im Sonnenaufgang mein Rad auf den Monte Breda, am Westufer des Idrosees getragen. Schöner als am Gardasee und komplett menschenleer.
8: Wenn du nicht Fotograf geworden wärst… wäre ich heute Designer oder Journalist.
9: Hast du ein Lieblingsfoto? Nein, da müsste ich jetzt lügen. Aber Inspiration gibt es da draußen ganz viel!
10: Drei Wünsche für die Zukunft: Das Ende dieser Pandemie, mehr ehrliche Solidarität auf globaler Ebene und lange Zeit, die Energie und Gesundheit, meinen Ideen nachgehen zu können.


Mehr von Moritz im Internet unter:
www.moritz-ablinger.com

www.instagram.com/moritzablinger
www.facebook.com/moritzablingerphotography

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